Wie wird man eigentlich ...?

Zauberer

Die Eule bringt den langersehnten Brief, der wie durch Zauberei durch den Briefschlitz fliegt. In der Winkelgasse bei Ollivander wartet schon der passende Zauberstab darauf, endlich benutzt zu werden. Und der sprechende Hut hat auch schon entschieden, in welchem Haus man zukünftig zum größten Zauberer der Welt ausgebildet wird. J. K. Rowling erzählt uns in Harry Potter ausführlich den Weg, den Zauberschüler gehen müssen, um erfolgreich zu sein. Wie dieser Weg aber im „echten“ Leben aussieht, wissen nur wenige. Klaus Lüpertz ist hauptberuflicher Zauberer. In unserer monatlichen CREVELT-Reihe haben wir den Krefelder gefragt: „Wie wird man eigentlich … Zauberer?“

„Klassisch gibt es bei mir und meinen Kollegen zwei Charaktere“, erklärt Lüpertz. „Diejenigen, die schon als Kind davon geträumt haben, einmal Zauberer zu werden, und die, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Ich zähle zur zweiten Gruppe.“ Ursprünglich hat Lüpertz vor vielen Jahren nämlich einen sehr bodenständigen Weg eingeschlagen. Als gelernter Bankkaufmann und Betriebswirt steigt er die Karriereleiter hinauf. Mit dem Schwerpunkt auf Finanzanalytik ist er damals in ganz Deutschland gefragt, steht auf großen Bühnen und erklärt die Welt des Geldes. Nebenberuflich beginnt er, sich mit der Zauberkunst auseinanderzusetzen. Vor allem das Gedankenlesen, die sogenannte Mentalmagie, reizt den Familienvater. „Und dann hat meine Tochter, damals fünf Jahre alt, im Kindergarten laut erzählt, ich könne zaubern und ich solle auf dem Sommerfest auftreten“, sagt der Fischelner lachend. „Den Kinderwunsch konnte ich nicht ausschlagen.“ 

Lüpertz‘ Auftritt trägt Früchte, andere Eltern buchen ihn für Geburtstage und seine besondere Fähigkeit spricht sich herum. „Das, was ich damals gemacht habe, ist nicht mehr vergleichbar mit dem, was ich heute zeige“, beschreibt er. „Die Zaubereien sind anspruchsvoller geworden, ich arbeite deutlich mehr mit Erwachsenen als mit Kindern.“ Vor rund fünf Jahren entschließt sich der heute 54-Jährige dazu, seine 60-Stunden-Wochen in der Bank an den Nagel zu hängen und sich ausschließlich auf die Zauberei zu konzentrieren. „Wie konnte ich auf der Bühne erzählen, dass man seinen Träumen folgen solle, und in der Bank täglich meine Seele verkaufen?“, fragt er schmunzelnd in den Raum. Seither ist Lüpertz in ganz Deutschland unterwegs, begleitet Hochzeiten und runde Geburtstage und steht bei Firmenfesten und Businessevents auf der Bühne. Außerhalb der Show geht er festen, unspektakulären Ritualen nach: Eine Stunde am Tag liest er in teils internationaler Fachlektüre über Strategien und neue Zaubereien, klickt sich durch Videos anderer Künstler und lässt sich im Alltag für seine Shows inspirieren. Jeden Tag übt er seine „Experimente“, wie er seine Showelemente nennt, und regelmäßig trifft er sich mit einer „Mastermind-Gruppe“ von sechs anderen Zauberern, um sich gegenseitig die neusten Zaubereien zu zeigen und sich Feedback einzuholen. „Wir kennen uns aus dem Magischen Zirkel Deutschlands, der eine nationale Vereinigung der Zauberkünstler zur Pflege und Förderung der magischen Kunst darstellt“, erklärt Lüpertz. „In Deutschland hat dieser rund 3.000 Mitglieder, nur rund 200 davon sind aber Berufszauberer. Unsere Aufgabe ist es, Wunder zu schaffen. Für mich ist das der schönste Job der Welt.“

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