Oberbürgermeisterwahl 2020

Wer wird Krefelds erster Bürger?

Am 13. September ist es so weit. Dann werden alle Krefelder Bürger an die Urnen gebeten, um entweder Frank Meyer im Amt zu bestätigen oder einen neuen Oberbürgermeister ins Rathaus zu wählen. Inmitten der heißen Phase des Wahlkampfs haben wir den fünf Protagonisten der im Bundestag vertretenen Parteien das imaginäre Mikrofon unter die Nase gehalten, um im Rahmen eines Sieben-Fragen-Interviews die Trennschärfen der Programmatiken zu ermitteln. Wer bislang unentschlossen ist, findet hier vielleicht eine kleine Entscheidungshilfe.

SPD: Oberbürgermeister Frank Meyer

// Sehr geehrter Herr Meyer, Sie lösen sich im Wahlkampf offenbar ganz bewusst von Ihrer Partei und kandidieren als „Oberbürgermeister für Krefeld“. Warum haben Sie sich für diese Ausrichtung entschieden?
Der Eindruck täuscht. Die Themen der SPD – Bildung, Sport, Infrastruktur, Mobilität, Klimaschutz, Sicherheit – sind auch meine Themen. Wir begreifen den Wahlkampf als gemeinsame Aufgabe. Dennoch ist die Oberbürgermeisterwahl natürlich eine Personenwahl. Ganz ohne persönliche Akzente geht es also nicht.

// Vor ziemlich genau fünf Jahren sind Sie in das Amt des Oberbürgermeisters gewählt worden. Welche Situation herrschte seinerzeit vor?
Ich habe eine Stadt vorgefunden, die von vielen Jahrzehnten unter schwierigen finanziellen Bedingungen gezeichnet war. Krefeld ist meine Heimat – mir hat es weh getan, unsere Stadt so zu sehen. Deshalb haben wir entschieden, die Probleme nicht mehr unter den Teppich zu kehren, sondern offensiv anzusprechen und systematisch in Angriff zu nehmen. Bei den Schulen, den Kitas und im Sport sind wir heute wieder auf einem guten Weg zu einer belastbaren und modernen Infrastruktur. Auch die Sanierungsfälle, die uns hinterlassen wurden, gehen wir konsequent an, zum Beispiel den Großmarkt, die Eishallen, die Grotenburg, die Bäder oder das Stadtwaldhaus.

// Auf die Frage, was Sie am Ende der ersten Amtszeit über sich lesen möchten, sagten Sie damals: „Vielen Menschen in Krefeld geht es besser als vor fünf Jahren.“ Inwiefern wäre eine solche Headline heute legitim?
Krefeld ist selbstbewusster geworden, das merken die Menschen. Selbstbewusstsein heißt für mich auch, die Stärken und Potenziale unserer Stadt sichtbar zu machen – die besonderen Orte, die lebendige Stadtkultur, die engagierte Bürgerschaft und das historische Erbe. Das Fundament für diese Entwicklung bildet die gelungene Sanierung des städtischen Haushalts und die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre. Auf dieser Basis gelingt es uns, wieder Visionen für Krefeld zu entwickeln. Wir sind ja kein reiner Reparaturbetrieb, sondern möchten diese Stadt gestalten und weiterentwickeln.

// Welche Aufgaben haben Sie in den vergangenen Jahren am meisten herausgefordert?
Meine Amtszeit hat mit Krisenmanagement begonnen, als plötzlich tausende von Flüchtlingen in Krefeld untergebracht und versorgt werden mussten. Das haben wir als Verwaltung und als Stadtgesellschaft gut gemeistert. Seit März stehen wir nun vor der vielleicht größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben Corona bisher auf kommunaler Ebene ordentlich bewältigt, aber die Folgen der Epidemie werden in den kommenden Jahren massiv sein. Zwischendurch gab es noch den Brand im Zoo: Wir waren geschockt, haben es aber ganz schnell geschafft, wieder zuversichtlich nach vorne zu schauen.

// Auf welche Entwicklung sind Sie besonders stolz?
Durch das Sanierungsprogramm mit 1.000 Maßnahmen an allen Krefelder Schulen haben die Schülerinnen und Schüler in Krefeld heute bessere Lernbedingungen als vor fünf Jahren. Wir haben 800 Kita-Plätze geschaffen – jeder einzelne hilft im Alltag der Familien in unserer Stadt. Mit „Krefeld für Kinder“ kämpfen wir entschlossen gegen die Kinderarmut in Krefeld. Wir haben Spielplätze saniert und den Radverkehr gestärkt, zuletzt mit dem ersten Teilstück der Promenade. Unsere Innenstadt ist sicherer und sauberer geworden. Orte wie den Großmarkt oder die Häuser Esters und Lange haben wir behutsam erneuert und ihre Strahlkraft erhöht. Krefeld ist wieder ein lohnendes Ziel für Investoren, sei es beim Surfpark am E-See oder beim geplanten Innovations- und Technologiecampus neben der Hochschule. All das macht mir Mut für die Zukunft.

// Welche Zielvorgaben formulieren Sie für eine weitere Amtszeit?
Wir werden weiter hart arbeiten, um Krefeld voran zu bringen. Ich möchte die Quartiere stärken, die Digitalisierung der Verwaltung intensivieren. Die Konzepte für Mobilität und Klima sind vorhanden – nun müssen wir entschlossen in die Umsetzung gehen. Die teils maroden Sportstätten müssen fit gemacht werden. Im Krefelder Zoo soll das Artenschutzzentrum Affenpark Gestalt annehmen. An der Werft in Uerdingen und im Stadtbad sollen besondere Orte für Krefeld entstehen. Mit einer Beteiligungsagentur möchte ich die Menschen stärker in politische Prozesse einbeziehen. Ich bin mehr denn je überzeugt davon, dass Stadt am besten gemeinsam funktioniert.

// Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wenn Frank Meyer als Oberbürgermeister wiedergewählt wird, dann…
wird er weiter alles dafür geben, dass Krefeld eine gute Heimat für uns alle ist.

CDU: Kerstin Jensen

// Sehr geehrte Frau Jensen, Sie gelten als waschechte Krefelderin, die gerne zupackt. Was ist ihre Motivation, für das Amt der Oberbürgermeisterin zu kandidieren?
Während meiner juristischen Ausbildung habe ich mir Freude am Aktenstudium angeeignet und Spaß daran, mich in komplexe Sachverhalte so richtig reinzuknien. Als Anwältin bin ich Interessenvertreterin meiner Mandanten und bemühe mich darum, konkret etwas für sie zu erreichen. Und als Mediatorin habe ich gelernt, immer mehrere Seiten zu sehen und zu versuchen, mich in ganz verschiedene Sichtweisen hineinzudenken. All das sind Fertigkeiten, die einer Oberbürgermeisterin doch eigentlich ganz gut anstehen. Und so habe ich ziemlich spontan „Ja“ gesagt, als man mich gefragt hat, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen kann.

// Nach anfänglicher Skepsis an Bundeskanzlerin Merkel hat ein Großteil der Deutschen Gefallen an einem „weiblichen“ Führungsstil gefunden. Glauben Sie, dass Ihnen diese Tatsache bei der Kandidatur hilft oder sind Sie der Überzeugung, dass das Geschlecht keine Rolle spielt?
Täuschen wir uns da lieber nicht: Eine Frau zu sein, ist noch immer eher ein Nachteil beim Erklimmen der Karriereleiter. Bei dieser Kommunalwahl bewerben sich acht Männer um das Amt – und ich als erste Oberbürgermeisterin für Krefeld überhaupt. Als meine Kandidatur öffentlich wurde, habe ich gesagt, dass ich zwei Kinder habe. Gleich hat jemand beschwichtigend hinzugefügt, die seien aber schon erwachsen. So etwas hätte bei einem männlichen Bewerber niemand gemacht. Vielleicht hilft mir mein Frausein bei dieser Wahl in dem Sinne, dass es quasi mein Alleinstellungsmerkmal ist. Aber ich will auch nicht die Frauenkarte spielen – am Ende will ich dann gewinnen, wenn ich die Krefelder von mir überzeugen kann.

// Sie sind selten um deutliche Worte verlegen, wenn es um die Beurteilung Frank Meyers Arbeit geht. Was hätte in den vergangenen fünf Jahren besser laufen können?
Ich bin jemand, der lieber nach vorn schaut. Und man muss sich darauf konzentrieren, was man selber besser machen will. Ich stehe für mehr Sicherheit und Sauberkeit in Krefeld, für die wirklich wichtigen Investitionen in Straßen und Schulen, für die Positionierung Krefelds als Hochschul- und Studentenstadt, dafür, dass man der Wirtschaft den roten Teppich ausrollt. Ich will eine echte Eigentumskultur für unsere Stadt, die mit neuer Verantwortung für das Gemeinwesen einhergeht. Um all das geht es mir, nicht so sehr darum, einem anderen ein Schulzeugnis auszustellen.

// Wie viel CDU steckt in Ihrer Kandidatur?
Ich stehe zu meiner Partei, der ich seit 2011 mit Überzeugung angehöre. Aber ich bewahre mir Offenheit für eigene Ideen: Ich bin Fördermitglied bei Greenpeace und beim WWF, interessiere mich sehr für ökologische Themen, schule im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit Betriebsräte von Bahnunternehmen. Es gehört zu den schönsten Erfahrungen dieses Wahlkampfs, dass mir Leute sagen: Eigentlich hab ich noch nie CDU gewählt, aber Sie finde ich gut. Ich glaube, dass es mir ganz gut gelingen würde, Oberbürgermeisterin für alle Krefelder zu sein – das wäre zumindest mein Anspruch an mich selbst, was die Ausübung des Amtes betrifft.

// Vor welchen Herausforderungen steht Krefeld derzeit und warum sind Sie diejenige, die diese am besten lösen kann?
Wir brauchen Wachstum für Krefeld! Es ist nicht genug, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Manchmal spüre ich so eine Mentalität, die sagt: Was wollt ihr denn? Läuft doch alles so einigermaßen. Das mag man so sehen, aber darauf können wir uns doch nicht ausruhen! Wir brauchen mehr Einwohner in Krefeld, die auf mehr Arbeitsplätzen eine höhere Produktivität erbringen. So können Unternehmen mehr investieren, die Einnahmen der Stadt aus Einkommensteueranteil und Gewerbesteuer steigen, und so ist es uns möglich, die öffentliche Infrastruktur zu erhalten und auszubauen. Ich glaube, dass ich allein schon deshalb die Richtige für das Oberbürgermeisteramt bin, weil ich diese Zusammenhänge klar beschreibe und darstelle. Manchmal habe ich den Eindruck, manch einem Mitbewerber fehlt der Glaube daran, dass Krefeld es besser kann.

// Welche drei Punkte stehen auf Ihrer Agenda für Krefeld ganz oben und warum?
Ich habe seit Bekanntgabe meiner Kandidatur gesagt: Ich will Grundsätzliches tun. Wir dürfen uns in Krefeld nicht verzetteln, sondern müssen ganz klare Schwerpunkte setzen. Sicherheit und Sauberkeit, Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, gerade im Verkehrsbereich, und die klare Positionierung Krefelds als Hochschul- und Studentenstadt – das sind die Themen, die mir vor allem am Herzen liegen.

// Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wenn Kerstin Jensen zur Oberbürgermeisterin gewählt wird, dann… wird sich die Welt nicht ändern. Die Antwort mag überraschen, aber ich bin immer dafür, Grenzen zu erkennen – auch die Grenzen des Amtes und der eigenen Person. Aber ich glaube, nach fünf Jahren Jensen stünde Krefeld besser da als heute. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, würde ich gar nicht erst antreten.

Grüne: Thorsten Hansen

// Sehr geehrter Herr Hansen, inwiefern unterscheidet sich die gegenwärtige Situation Krefelds gegenüber der Lage vor fünf Jahren, als Sie das erste Mal kandidierten?
Krefelds Situation hat sich in einigen Punkten verbessert: Dazu gehört z. B. die Situation bei der Ausländerbehörde. Andere Dinge aber, wie die auf hohem Niveau stagnierende Arbeitslosigkeit, die immer noch eher bescheidene Digitalisierung der Verwaltung und Schulen, die zunehmend dramatische Entwicklung des Klimas und der Abwärtstrend der Innenstadt, stellen uns zwar vor keine neuen, aber immer drängendere Probleme, die unbedingt angegangen werden müssen.

// Die Grünen haben vor allem in den vergangenen zwei Jahren deutlich an Zuspruch gewonnen. Glauben Sie, dass sich dieser positive Trend der Partei auch hinsichtlich Ihrer Kandidatur bemerkbar machen wird?
Das Europawahlergebnis 2019, bei dem wir mit 24,5 Prozent der Wählerstimmen zweitstärkste Kraft und auf Augenhöhe mit der CDU waren, zeigt, welches Potenzial wir Grünen in Krefeld haben. Wir bekommen derzeit sehr viel positiven Zuspruch aus der Bevölkerung und glauben, dass wir ein sehr gutes Ergebnis erzielen werden.

// Wie „grün“ ist ihr Wahlkampf und wie klar ist die Trennschärfe zu den anderen Parteien?
Klimaschutz ist ein Querschnittsthema. Egal ob wir über Mobilität, Stadtentwicklung, Digitalisierung der Schulen und der Verwaltung sprechen: Überall spielt Klimaschutz eine Rolle. Wir sind die einzige Partei, die es mit Klimaschutz wirklich ernst meint. Alle unsere Entscheidungen als Stadt müssen zukünftig auf ihre Auswirkung auf das Klima hin geprüft werden. Wenn 51 Hektar für ein Gewerbegebiet versiegelt werden sollen und unsere städtische Tochter SWK 2,4 Millionen Euro in den Klimakiller RWE investiert, dann sind es für mich Zeichen, dass es der Verwaltung und den anderen Partei mit dem Klimaschutz nicht wirklich ernst ist. Wer mehr Klimaschutz in Krefeld haben will, der muss uns Grüne wählen.

// Was hätten Sie als Oberbürgermeister anders gemacht, wenn Sie vor fünf Jahren ins Amt gewählt worden wären?
Für mich ist das größte Versäumnis die fehlende Digitalisierung der Verwaltung. Hier haben wir weitere fünf Jahre verloren und insbesondere in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass wir als Stadt Krefeld sehr schlecht auf Home Office vorbereitet waren. Egal ob Erreichbarkeit der Verwaltung oder Öffnung der Bürgerbüros: Überall sind die Probleme sichtbar geworden. Das zweite große Versäumnis ist die fehlende Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Trotz Hochkonjunktur hatten wir mit zehn Prozent eine extrem hohe Arbeitslosigkeit, die jetzt auf zwölf Prozent gestiegen ist. Das führt auch zu einer extrem hohen Kinderarmut. Jedes vierte Krefelder Kind lebt in Armut. Deshalb hätte ich schon vor fünf Jahren ein „Krefelder Bündnis für Arbeit“ aufgesetzt. Fünf verlorene Jahre waren es auch für den Umweltschutz in Krefeld. Traditionell ein Stiefkind in der Verwaltung, ist es durch die Gründung des Kommunalbetriebs noch schlimmer geworden. Hier gegenzusteuern und Umweltschutz zu einem zentralen Thema zu machen, ist mir ein Herzensanliegen.

// Vor welchen Herausforderungen steht Krefeld derzeit und warum sind Sie derjenige, der sie am besten lösen kann?
Der Klimawandel und die Folgen der Corona-Krise stellen uns vor große Herausforderungen. Die Jugend fordert zu Recht die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf, neue Wege zu gehen. Wir sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig, ein lebenswertes Krefeld zu gestalten. Was wir brauchen, ist ein neues Denken – in der Politik, in der Verwaltung, in der Wirtschaft und in der Stadtgesellschaft. Heute bleiben viele gute Ansätze unvollendet und zahlreiche Konzepte verstauben in den Schubladen der Verwaltung. Ich werde die vorliegenden Konzepte weiterentwickeln und entschlossen umsetzen. Ich habe viele Jahre als Manager in der freien Wirtschaft gearbeitet und weiß, wie man eine große Organisation zielorientiert aufstellt und Veränderungen auf den Weg bringt.

// Welche drei Punkte stehen auf Ihrer Agenda für Krefeld ganz oben und warum?

  1. Ich will in Krefeld eine neue Mobilität, die die Bedürfnisse von Fußgängern, Radfahrern und Autoverkehr gleichrangig betrachtet. Im Jahre 2030 soll Krefeld die fahrradfreundlichste Stadt NRWs sein.
  2. In der Stadtentwicklung gilt es, eine neue Richtung einzuschlagen, hin zu innovativen und modernen Bauformen nach ökologischen Standards, ausgestattet mit Photovoltaik-Anlagen und Fassaden- und Dachbegrünungen und mit möglichst wenig Flächenversieglung. In Krefeld hat die Innenstadt ein enormes Potenzial zur Weiterentwicklung. Sie ist eine Schönheit, die wir aus ihrem Dornröschenschlaf wecken wollen. Die Krefelder Innenstadt soll ein Leuchtturmprojekt werden für modernes Wohnen, Leben und Arbeiten, das den Ansprüchen jüngerer und älterer Menschen zugleich gerecht wird.
  3. Krefeld hat im letzten Jahr den Klimanotfall ausgerufen und vor kurzem ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Nun müssen wir schnell mit der Umsetzung beginnen. Das Stadtklima verändert sich rasant und wir müssen uns darauf einstellen. Mit neuer Stadtbegrünung, CO2-sparenden Verkehrskonzepten und Klimaanalysen werde ich neue Wege einschlagen, damit Krefeld bis spätestens 2035 klimaneutral ist.

// Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wenn Thorsten Hansen zum Oberbürgermeister gewählt wird, dann…
wird es tiefgreifende Änderungen geben, die Krefeld schöner, nachhaltiger und lebenswerter machen.

FDP: Joachim Heitmann

// Sehr geehrter Herr Heitmann, angesichts der Tatsache, dass Ihre Chancen auf den Posten des Oberbürgermeisters vergleichsweise gering sind, sei die Frage nach den Hintergründen Ihrer Kandidatur erlaubt. Geht es Ihnen lediglich um ein politisches Signal?
Nein! Es gibt zwar immer Favoriten, aber auch Favoritenstürze und wer nicht kämpft, hat schon verloren. Da sich meine wichtigsten Vorhaben aus meiner langjährigen Erfahrung im Krefelder Stadtrat als Fraktionsvorsitzender speisen, ist ein konkreter Gegenentwurf zur großen Koalition der letzten sechs Jahre und einer grünen Ideologie unverzichtbar! Die sich abzeichnende Rot-Rot-Grüne Mehrheit im Krefelder Stadtrat untermauert aus meiner Sicht, einen dringenden Politikwechsel. Es geht mir also nicht um ein politisches Signal!

// Welche liberalen Werte sind dieser Tage aus Ihrer Sicht aktueller denn je und woran mangelt es nach Ihrem Dafürhalten der aktuellen Führung unserer Stadt?
Meine liberalen Werte sind nicht nur in diesen Tagen aktuell! Meine liberalen Werte wie einfacher Staat, Freiheit, Eigenverantwortung, selbstbestimmt Leben, Mut, beste Bildung, solide Finanzen und soziale Marktwirtschaft sind meine Grundüberzeugung und bestimmen nicht nur mein politisches Handeln. Gerade im Zusammenhang mit der Pandemie, sind diese Werte für das eigene Handeln so wichtig! Der aktuellen Führung mangelt es aus meiner Sicht an einigen der vorgenannten Werte.

// Glauben Sie, dass sich der bundesdeutsche Trend hinsichtlich der Wählerverschiebungen auch in der Kommunalwahl widerspiegeln wird? Wer würde am meisten davon profitieren?
Ich bin leider kein Hellseher und kann deshalb nicht sagen, wie Mitte September der bundesdeutsche Trend ist. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich mit meiner Partei wieder in Fraktionsstärke in den Stadtrat zurückkehren und in allen Bezirksvertretungen vertreten sein will. Die FDP möchte Teil einer Gestaltungsmehrheit für das Wohl unserer Stadt sein. Egal welcher Trend gerade aktuell ist. Am 13. September entscheiden die Krefelderinnen und Krefelder sich nicht nur für einen Oberbürgermeister, die Krefelderinnen und Krefelder entscheiden am 13. September auch über die so wichtigen Bezirksvertretungen und den Stadtrat. Will heißen, die Entscheidung für die zukünftige Politik vor der eigenen Haustür folgt nicht so sehr einem bundesdeutschen Trend! Und das ist auch gut so.

// Die Wohnungsbaupolitik der Stadt ist für Sie immer wieder ein zentrales Thema. Sie haben dabei den Begriff des „Grünen Bauhauses“ geprägt. Was verbirgt sich dahinter?
Da Krefeld perspektivisch Einwohner verlieren und gleichzeitig der Anteil an über 65-Jährigen immer größer wird, müssen wir Wohnraum für junge Familien mit Kindern schaffen. Dazu brauchen wir Neubaugebiete. Die dortigen Häuser und Wohnungen sollten den architektonischen Ansprüchen des Bauhauses entsprechen und gleichzeitig natürlich ökologisch und nachhaltig gebaut werden. Gleichzeitig müssen wir mit Hilfe des städtischen Grundstücksetats und städtischer Vorkaufsrechte in der Krefelder Innenstadt investieren und dort bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum durch die Wohnstätte entwickeln, um den sozialen Niedergang der Innenstadt zu stoppen!

// Vor welchen Herausforderungen steht Krefeld derzeit und warum sind Sie derjenige, der diese am besten lösen kann?
Neben den oben genannten Neubaugebieten gilt es, in Schulen, Kindergärten, in dem Breitensport zugängliche Sportstätten und vor allem in Straßen zu investieren! Gleichzeitig kleine, aber sehr effektive und sichtbare Maßnahmen, um den Klimawandel in Krefeld, vor allem in der Innenstadt, abzufedern. Der vielfältigen Kultur in Krefeld, die in den letzten Monaten mit am stärksten gelitten hat, gilt unsere ganze Aufmerksamkeit und Unterstützung genauso wie unzähligen kleinen und mittleren Betrieben und der Industrie. Krefeld war, ist und soll weiter ein Industriestandort für sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze sein!

// Welche drei Punkte stehen auf Ihrer Agenda für Krefeld ganz oben und warum?
Neben den vielen Herausforderungen, die ich bereits in den vorgenannten Antworten benannt habe, ist der Bevölkerungsrückgang und die Überalterung, die sich abzeichnet, unbedingt zu stoppen! Das Werben um Neubürger hat eine hohe Priorität! Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gilt es zu verbessern, zum Beispiel mit Senkung der Gewerbesteuer und der Gebühren, keine Mehrbelastung in Folge der Grundsteuerreform. Hier sehe ich gute Lenkungswirkungen, um die Ziele zu erreichen!

// Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wenn Joachim Heitmann zum Oberbürgermeister gewählt wird, dann…
wird er Schwerpunkte setzen und Klartext reden.

AFD: Dr. Martin Vincentz

// Sehr geehrter Herr Dr. Vincentz, den anderen lokalen Medienvertretern zufolge, liegt in Ihrer Kandidatur lediglich eine Symbolkraft. Rechnen Sie sich dennoch reelle Chancen für das Amt des Oberbürgermeisters aus?
Man soll niemals nie sagen! Aber realistisch betrachtet deuten die Umfragen aus Land und Bund tatsächlich aktuell nicht darauf hin, dass wir nach der Wahl im September den Oberbürgermeister stellen werden. Nichtsdestotrotz räumt mir die Kandidatur natürlich die Möglichkeiten ein, besser persönlich mit einigen Vorurteilen über meine Partei aufzuräumen. Und sollte es uns gelingen, in die Stichwahl einzuziehen, wäre auch das bereits ein Riesenerfolg für uns.

// Sie bekleiden bereits ein politisches Amt auf Landesebene. Was reizt Sie dennoch am höchsten Posten der Stadt?
Es ist nicht so, dass mir die Arbeit als Mitglied des Landtages keinen Spaß macht, im Gegenteil. Aber mir blutet das Herz, wenn ich mir ansehe, wo Krefeld heute steht, wie Elend, Verwahrlosung, Drogensucht und Leerstand das Stadtbild beeinflussen, wie viele Kinder in Krefeld in Armut aufwachsen müssen. Da musste ich nicht lange überlegen, als man mich gefragt hat, ob ich für uns kandidieren möchte. Und wenn ich in den kommenden fünf Jahren im Rat die Möglichkeit habe, ein paar Dinge in die richtige Richtung mit anschieben zu können, damit wir diesen Teufelskreis durchbrechen, dann war es das die vielen Überstunden zwischen Land und Kommune alle Male wert.

// Warum haben Sie sich dazu entschlossen, die AFD als Ihre politische Heimat zu wählen?
Ich war schon immer politisch interessiert, engagiert und durchaus umtriebig. Als Schulsprecher habe ich beispielsweise damals eine Demonstration gegen den Irakkrieg mitorganisiert. Aber bis 2013 hat mich keine Partei wirklich soweit überzeugt, dass ich mich aktiv einbringen wollte. Das Aufkommen der AfD, die Möglichkeit, von Anfang an eine Partei in ihrem Aufbau mitzugestalten, und sicherlich auch viele Missstände, mit denen ich in meiner beruflichen Tätigkeit als Arzt im Gesundheitssystem konfrontiert war, haben mich dann dazu bewogen, ein Parteibuch anzunehmen. Ich halte die AfD, bei allen Eskapaden einiger bekannter Köpfe aus der Partei, auch für immens wichtig in der deutschen Parteienlandschaft. Die CDU ist, ohne es bewerten zu wollen, ich nehme an, aus strategischen Überlegungen, immer mehr in die politische Mitte gerückt, bei gleich mehreren linken Parteien im politischen Spektrum.

Da benötigt es für einen vernünftigen Ausgleich eine neue, starke, konservative Stimme. Natürlich ist man dabei nie mit allen Inhalten einer Partei einverstanden. Ich teste zum Beispiel bei jeder Wahl in den verschiedenen Bundesländern immer wieder den Wahl-O-Mat und selten komme ich selbst bei meiner Partei auf über 80 Prozent Übereinstimmung. Aber im Kern hat die AfD wichtige Forderungen in ihrem Programm und stellt gesellschaftlich wichtige Fragen. Da ist es mir erst einmal egal, ob ich das Gesicht mag, das die Frage stellt, oder ob sie blöd formuliert ist. Ich kann mich vom Sofa aus beschweren, dass es keine Partei gibt, die adäquat, im richtigen Tonfall, im richtigen Moment, mit dem nötigen Maß die Probleme angeht, oder versuchen, selbst meinen Teil zu leisten. Ich habe mich für Zweiteres entschieden.

// Inwiefern grenzen Sie sich programmatisch von den Inhalten der Bundes-AFD ab und welche Haltung haben Sie zum rechten Flügel Ihrer Partei?
Wir möchten in Krefeld, ähnlich unserer Landespolitik der AfD NRW, sehr pragmatisch einige sachpolitische Inhalte, die uns am Herzen liegen, in die Ratsarbeit einbringen und umsetzen. Im Land setzen wir vor allem klassisch konservative Themenschwerpunkte, die wir mit Sachanträgen und konkreten Lösungen für konkrete, drängende Probleme angehen. Also insgesamt eher unaufgeregte, nüchterne, politische Arbeit. Dieses, ich nenne es mal „Gepolter“, das man leider immer mal wieder, vornehmlich aus dem sogenannten Flügel meiner Partei, vernimmt, ist nicht nur nicht konservativ, sondern meiner Ansicht nach für diese Arbeit sogar kontraproduktiv. Ich verstehe den Impuls, sich in einem immer enger werdenden Meinungskorridor mal Luft zu machen. Das, was die Menschen in der Öffentlichkeit als sagbar empfinden, wird ja nachweislich immer weniger, aber es gibt einen Unterschied zwischen berechtigter Kritik an politischen und gesellschaftlichen Dogmen und wenig produktivem, aber dafür manchmal sehr lautem Unmut. Auch im klassischen Sinne rechte Inhalte sind ja nicht verboten und gehören durchaus zur Politik dazu, von daher sehe ich, bis zu einem gewissen Punkt auch die verschiedenen Strömungen in meiner Partei als legitim an, aber es muss immer im Sinne der freiheitlich, demokratischen Grundordnung sein. Gegen Einzelpersonen, denen eine Abgrenzung dort schwer fällt, oder wo eine solche sehr, sehr schwammig wird, haben wir uns in Krefeld in der Vergangenheit deutlich positioniert und tun es auch weiter. Aber ich denke wir sind da als Gesamtpartei auf einem guten Weg.

// Vor welchen Herausforderungen steht Krefeld derzeit und warum sind Sie derjenige, der diese am besten lösen kann?
Viele der jahrelang bekannten Probleme der Stadt – Armut, Vermüllung des öffentlichen Raums, marode Infrastruktur, schwierige Finanzlage – wirken in der Coronakrise nun wie unter einem Brennglas. Den anderen Parteien ist es bislang nicht und – ich nehme mir heraus das zu sagen – wird es mit ziemlicher Sicherheit, insbesondere unter den aktuellen Erschwernissen, auch nicht gelingen die Trendwende für Krefeld hervorzubringen. Krefeld war mal die reichste Kommune in Deutschland und schauen sie sich an, wo wir heute stehen. Das Versagen hat ja nicht erst mit Herrn Oberbürgermeister Meyer angefangen, sondern wurzelt viel tiefer. Da haben sich im Wechsel die unterschiedlichen Parteien nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Wir denken daher, dass es dringend ein paar neue Augen braucht, die sich die Probleme unvoreingenommen ansehen und für einen Neustart sorgen. Wir haben ein Programm vorgelegt, mit dem wir Wege aufzeigen die vielen Potenziale Krefelds endlich wieder nach vorne zu bringen

// Welche drei Punkte stehen auf Ihrer Agenda für Krefeld ganz oben und warum?
Solide Finanzen, Sicherheit und Ordnung und Infrastruktur. Aus dem einfachen Grund, weil hier die drängendsten Probleme liegen. Ich könnte jetzt mit Kinderarmut, Langzeitarbeitslosigkeit und Drogensucht gleich noch drei weitere Problemfelder anschließen, aber irgendwo muss man anfangen und fünf Jahre bieten uns ja zum Glück einiges an Zeit, um die Themenfelder nach und nach anzugehen und abzuarbeiten.

// Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wenn Dr. Martin Vincentz zum Oberbürgermeister gewählt wird, dann…
bekommen Sie einen Krefelder aus Überzeugung, der sich wirklich mit Herzblut dafür einsetzen wird, dass wir uns 2025 an dieser Stelle über die Dinge unterhalten werden, die andere Kommunen noch von uns lernen können und nicht umgekehrt. 

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